Gendergerechte Sprache – Fluch oder Segen?

Gendergerechte Sprache – Fluch oder Segen?

Geschlechtergerechte oder auch gendergerechte Sprache ist ein Thema, das immer öfter in den Medien auftaucht. Spätestens seit einzelne Institutionen und Kommunen Leitfäden zum Verwaltungssprachgebrauch erlassen, kommt man immer weniger an dem Thema vorbei. Egal, wie man dazu steht, es sollte sich jeder seine eigene Meinung dazu bilden.

Gendergerechte Sprache – eine späte Blüte des Feminismus

Entstanden sind die Gender-Studien aus der Frauenbewegung der 60er-Jahre. Und diese Gender-Studien haben in den letzten Jahrzehnten unmittelbar oder mittelbar zu Empfehlungen für die sogenannte geschlechtergerechte oder geschlechtersensible Sprache geführt. Die soll dazu beitragen, dass sich möglichst niemand mehr sprachlich diskriminiert fühlen kann. Die Idee ist gut, aber die Mittel sind die absolut untauglich.

Denn tatsächlich hatten wir bis zur Einführung dieser Empfehlungen eine geschlechterneutrale Sprache.

Die Kritik der Gender-Forscher

Die Kritik der Gender-Forscher lautet, dass das Männliche überall überwiege. Das ist aus meiner Sicht eine ideologisch motivierte Fehlinterpretation: Wir haben nämlich in unserer Sprache für Substantive, also Hauptwörter, drei grammatikalische Geschlechter. Der erste Fehler ist schon einmal, dass die Formen “Geschlecht” genannt wurden und nicht “Form”. Dummerweise heißen diese grammatischen Geschlechter auch noch Maskulinum, Femininum und Neutrum.

Das Maskulinum sollte besser „Standardform“ heißen. Es ist die älteste Form und bezeichnet Unspezifisches: der Tag, der Geist, der Händler. Dann kam in der Wortbildung das Neutrum dazu, welches  Abstraktionen benennt. Also das Spiel, das Werkzeug, das Handeln. Und als letzte Form kam das Femininum: die Seele, die Psyche, die Handlung. So etwas wie die nächste Abstraktionsstufe. Aus dem konkreten Händler wird das praktische Handeln und dann die abstrakte Handlung. So hat sich unsere Sprache nach und nach zu dem entwickelt, was wir heute sprechen.

Und genau betrachtet werden Männer nie genannt, eben weil die generisch maskulinen Wörter kein biologisches Geschlecht bezeichnen. Handwerker sind die, die mit der Hand werken. Punkt. Zu den verschiedenen Schreibweisen, die sich unterschiedlich intensiv verbreitet haben, lesen Sie weiter unten mehr.

Verkehrte Welt, wo man auch hinliest

Wenn wir schreiben „Liebe Leser“, dann sind das alle, die lesen. Egal, wer das ist. Wenn wir sagen „Liebe Leser und Leserinnen“, dann meinen wir die weiblichen Leser aus irgendeinem Grund ganz besonders. Das Spezifische (also das Weibliche) dagegen vor das Unspezifische (das Männliche) zu stellen, wäre auf jeden Fall falsch. Trotzdem wird es dauernd so gemacht.

Die überwiegend weiblichen Geschlechterforscher wollen das generische Maskulinum abschaffen und weibliche Personenbezeichnungen immer in irgendeiner Weise ausdrücklich nennen oder eben neutral formulieren. Nur: neutraler als mit dem generischen Maskulinum kriegen wir es nicht mehr!

Wo bleiben die Männer in der Sprache?

Mit neutral formulieren meinen die Gender-Forscher, dass wir aus Fußgängern wie in der Straßenverkehrsordnung  zu Fuß Gehende machen sollen. Und das ist ja keinesfalls dasselbe. Ein zu Fuß Gehender bin ich nur, solange ich tatsächlich laufe. Fußgänger bin ich dagegen auch, wenn ich stehen bleibe. Haben Sie es gemerkt? Es heißt pikanterweise ein zu Fuß Gehender! Ich müsste schon wieder eine zu Fuß Gehende sagen… Das klappt also nur im Plural! Genau wie beim richtigeren Fußgänger! Die Mehrzahlform ist die Mehrzahlform, durch den Artikel ändert sich ja nicht das Geschlecht des Gehenden, nicht einmal das des Wortes …

Nehmen wir Personenbezeichnungen wie: Arzt, Arbeiter, Bürger, Student, Mörder, Zuhälter. Personenbezeichnungen bilden wir klassisch als maskuline Wörter. Das ist eine sprachliche Gegebenheit. Die Wörter bezeichnen Personen, die einen Heilberuf ausüben, in einem Land leben, an einer Hochschule eingeschrieben sind und so weiter. Welches biologische Geschlecht die zunächst unspezifische Person hat, interessiert das Wort, die Sprache und unser Sprachzentrum überhaupt nicht.

Niemand ist “mitgemeint”

Auch Studierende sind nicht dasselbe wie Studenten. Es wird gelegentlich empfohlen, aus einem Seminarleiter „die Seminarleitung“ zu machen. Ich will aber nicht mit einer abstrakten Seminarleitung sprechen, sondern mit dem konkreten Seminarleiter, auch wenn das ein Mann ist.

Oft wird ins Feld geführt, dass die Wörter Frauen ja „mitmeinen“. Das ist völliger Blödsinn. Wörter meinen Frauen nicht mit, weil sie auch Männer nicht mitmeinen. Wörter meinen überhaupt nichts. Sie bezeichnen einfach nur.

Noch nie war Sprache so sexualisiert wie heute

Wenn Personenbezeichnungen generisch maskulin sind, sind Frauen dann sprachlich unterrepräsentiert? Dass sich die eine oder andere Frau unterrepräsentiert fühlt, kann durchaus sein. Nur haben Gefühle nichts mit der Sprachlogik zu tun. Es geht gar nicht darum, wie sich jemand fühlt, sondern darum, was mit einem Wort bezeichnet wird.

Wenn sich die Einzelhändler eines Ortes treffen, oder die Lehrer, dann ist es völlig egal, wie viele Frauen und wie viele Männer dabei sind. Bei der Information spielt das erst einmal keine Rolle. Es geht zunächst nur darum, welche Gruppe sich trifft. Das ist die relevante Information. Dadurch, dass wir immer alle möglichen Formen nennen, lenken wir vom Inhalt ab und lenken die Aufmerksamkeit stattdessen auf einen unwichtigen, noch dazu – aus meiner Sicht – privaten Aspekt, der für den Informationsgehalt keine Rolle spielt.

Es wird auch angeführt, dass bei vielen Begriffen angeblich immer zuerst und manchmal ausschließlich an Männer gedacht würde. Bei Arzt würden sich die meisten männliche Ärzte vorstellen. Ebenso bei Arbeiter, Mechaniker, Bürger usw. Deshalb sollte man immer Ärztin und Arzt, verwenden. Mein Tipp: Wenn wir wollen, dass jedem bei bestimmten Berufen Frauen genauso oft in den Kopf kommen wie Männer, dann sollten mehr Frauen diesen Beruf ausüben und in diesem Beruf mehr von sich reden machen. Es ist allemal besser, auf die Realität einzuwirken, als eine ganze Sprache zu vergewaltigen.

Vom Schreibfehler zum Denkfehler

Die empfohlenen Schreibweisen mit Sternchen oder mit  x, mit Schräg-und Bindestrich /-innen oder mit Binnen-I blähen jeden Text auf, ohne inhaltlich etwas hinzuzufügen. Das macht Texte schwer lesbar und zum Teil unvorlesbar. Zudem widersprechen diese Formen unseren Rechtschreibregeln. In der Schule wären das Fehler.

A propòs Schule: Denken Sie an Schüler in der zweiten Klasse, die gerade mal lesen können und dann Sätze lesen sollen wie: „Die Vorleserin oder der Vorleser liest die Geschichte den Zuhörerinnen und Zuhörern vor.“ Das ist viel Lärm um nichts. Die Kinder lesen sich ‘nen Wolf und das Ziel, geschlechtsneutral zu formulieren, wird überhaupt nicht erreicht. Im Gegenteil, durch die doppelte Nennung werden die biologischen Geschlechter betont, an einer Stelle, an der sie überhaupt keine Rolle spielen. Wenn die Kinder sich umdrehen, sehen sie, mit wem sie in einer Klasse sind!

Macht es der Gender-Stern besser?

Wenn wir beim Lesebeispiel bleiben, dann schreiben wir mit dem Gender-Stern “Der/die Vorleser*in  liest die Geschichte den Zuhörer*innen vor.“ Das ist wenigstens kürzer. Aber besser? Das Sternchen wird nicht mitgelesen. Es steht beim Vorlesen für eine Pause. Also müssen wir lesen “der/die Vorleser in liest”. Klingt blöd oder harmlos gesagt gewöhnungsbedürftig. Wenn ich an die Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche denke, weiß ich, dass für sie lesen und schreiben noch viel schwieriger wird, als es bisher schon war.

Nun heißt es beispielsweise in den Empfehlungen “Für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache” der Stadt Hannover zum Genderstar:

Der Genderstar, dargestellt durch ein Sternchen* zwischen der maskulinen und femininen Endung dient als sprachliches Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten.

Wenn das mal wahr wäre. Schon beim Wort Kolleg*innen trifft die Erklärung nicht zu. Denn Kollegen steht da ja gar nicht. Und würden wir Kolleg*inn*en schreiben, stimmt es auch noch nicht ganz, weil jetzt der weiblichen Form die Endung fehlt. wie man es auch dreht und wendet: Es gibt keine bessere Form als die, die sich über Jahrhunderte sprachlich herausgebildet hat.

Was sagt die Wissenschaft zum Thema gendergerechte Sprache?

Das ist so eine Sache. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat veröffentlich, dass es mittlerweile an deutschen Hochschulen insgesamt 185 Gender-Professuren gibt. Und die werden auch großzügig gefördert. Aus meiner Sicht sind die Studien nicht repräsentativ und die Forschungsergebnisse obendrein dünner als dünn. Und wenn man sich einzelne Studien anschaut, dann braucht es viel Phantasie, um das formulierte Fazit mit dem tatsächlichen Studienergebnis in Einklang zu bringen.

Hinzu kommt, dass wir hier beispielsweise von feministischer Linguistik sprechen. Für mich ist das ein Widerspruch in sich: Feminismus ist eine Ideologie. Und eine Ideologie hat in der Wissenschaft so viel verloren wie Dieselkraftstoff im Ottomotor. Schließlich soll etwas erforscht werden. Und dabei geht es um ein möglichst objektives Ergebnis.

Wenn also eine Gender-Studie vom Fachbereich feministische Linguistik durchgeführt wird und die (teilweise nur 40) Probanden, die an der Studie teilnehmen, an eben diesem Fachbereich studieren und alle Anfang 20 sind: wie objektiv sind dann Studien-Design und die Ergebnis? Die Antwort erübrigt sich.

Natürliche Sprachentwicklung

Sprache entwickelt sich seit den ersten Ursprüngen. Aber bitte von „unten“. Das meint, Sprache entwickelt sich immer, wenn es ein Erfordernis dafür gibt. Beispiel: Es gibt eine neue Technik, ein neues Produkt, was auch immer, und schon brauchen wir ein neues Wort. Und wir erfinden es. Wenn wir irgendwann ein Wort für ein drittes Geschlecht brauchen sollten, werden wir eins dafür erfinden, keine Frage. Aber eben erst, wenn es gebraucht wird.

Bisher beziehen sich die natürlichen Weiterentwicklungen der Sprache meines Wissens überwiegend auf Wortschatz und Schreibweise, nicht aber auf die Sprachsystematik.

Wollen wir den Fehler der Rechtschreibreform wiederholen?

Verordnete Sprachveränderung geht immer schief. Die unsägliche Rechtschreibreform der 90er-Jahre ist auch so ein Beispiel: Da sollte auch von oben eine neue Rechtschreibung eingeführt werden, damit die Schüler weniger Fehler machen. Die Bevölkerung hat vieles davon nicht umgesetzt, weil es gegen den gesunden Sprachinstinkt ging. Und was war? Die Reform wurde nach und nach zu großen Teilen wieder zurückgeändert. Mit dem Ergebnis, dass heute mehr Fehler gemacht werden als früher. Klassische Zielverfehlung und teurer Schmarrn, genau wie die angeblich geschlechtergerechte Sprache.

Fazit

Vertrauen Sie Ihrem Sprachinstinkt und lassen Sie sich nicht beirren! Und helfen Sie mit, unsere Sprache vor dieser Verhunzung zu bewahren, genau wie damals vor den Übertreibungen der Rechtschreibreform.

Zu diesem Thema kann ich zwei Bücher wärmstens empfehlen: zum einen „Denksport Deutsch“ von Daniel Scholten und zum anderen „Genug gegendert!“ von Tomas Kubelik. Beide Bücher sind sehr kenntnisreich geschrieben und liefern fundierte Argumente für richtiges Deutsch. Und wer sich ernsthaft zu dem Thema austauschen möchte, kann sich beispielswiese über den Verein für Sprach- und Wissenskultur – Kennwort e.V. an mich wenden.