Briefe schreiben – macht man das noch?

Briefe schreiben – macht man das noch?

Tatsächlich werden Briefe noch ziemlich viele geschrieben: Im Jahr 2017 hat allein die Deutsche Post 18,5 Milliarden Briefe befördert, das sind zirka 60 Millionen täglich. Knapp die Hälfte davon waren Werbebriefe. Das bedeutet, dass der Großteil der Briefe einen geschäftlichen Anlass hat. Es sind also überwiegend Geschäftsbriefe. Die meisten privaten Briefe schreiben wir nach wie vor zu Weihnachten und auch zu Ostern.

Weniger, dafür besondere private Briefe

Seit der flächendeckenden Verbreitung der Smartphones und anderer elektronischer Geräte nimmt der Anteil an privaten Briefen ab, in Deutschland allerdings wesentlich weniger als in unseren Nachbarländern: In den letzten 10 Jahren ist die Zahl der privaten Briefe in Dänemark zum Beispiel um 70 % zurückgegangen, bei uns nur um 20 %. Dafür steigt die Zahl der E-Mails, SMS und anderer Kurznachrichten ständig an.

Trotzdem gibt es neuerdings  auch jüngere Menschen, die wieder Briefe schreiben, weil sie erkennen, dass ein schön beschriftetes Stück Papier etwas Besonderes gegenüber einer elektronischen Nachricht ist. Der klassische Liebesbrief ist sicher seltener geworden, trotzdem gibt es ihn noch.

Jung und Alt lernen voneinander

Als ich jung war, hatten noch nicht einmal alle ein Festnetz-Telefon. Also hat man seinen Tanten, Onkeln und Großeltern Briefe geschrieben und die Sütterlinschrift gelernt, damit man deren Antwort lesen konnte. Heute können Kinder einfach eine Kurznachricht ins Handy tippen und die Großeltern lernen, Kurztext-Zeichen zu verstehen. Auch da hat sich viel geändert.

Während man also früher schon in jungen Jahren viel Erfahrung mit dem Briefeschreiben hatte, geht das heute meist erst Fach Arbeitslehre in der Schule los. Oder später in der Berufsschule, in der man lernt, Geschäftsbriefe korrekt zu gestalten und zu v

Und wie schreibt man denn nun einen guten Brief?

Erst muss der Anlass klar sein – privat oder geschäftlich? Eine persönliche Danksagung oder Weihnachtsgrüße kann ich zum Beispiel per Hand mit Tinte auf ein schönes, vielleicht sogar handgeschöpftes Papier oder eine passende Klappkarte schreiben. Ein geschäftliches Angebot schreibe ich sicher per Computer und drucke es auf einen Bogen offizielles Geschäftspapier aus.

Dann gibt es sieben wichtigen Fragen. Ich nenne sie die sieben Kardinalfragen. Wenn man sich zu diesen sieben Fragen stichwortartig Antworten notiert, kann man danach meist schon einen angemessenen Brief schreiben.

Die 7 Kardinalfragen

Bei der ersten Frage geht es um das Briefziel. Also darum, was der Schreiber mit dem Brief erreichen will. Und das ist wie beim Segeln: nur wenn ich ein Ziel habe, werde ich es überhaupt erreichen können. Als Schreiber will ich zum Beispiel ein Produkt verkaufen oder Kunden auf eine Veranstaltung einladen oder eine Preiserhöhung ankündigen. Und privat könnte ich einer alten Tante das Gefühl geben wollen, dass ich an sie denke. Aber ich denke, wir beschränken uns im weiteren auf die geschäftlichen Anlässe.

Die zweite Frage ist, was will der Adressat? Vielleicht will der Empfänger meines Briefes ja das genaue Gegenteil von dem, was ich will: nämlich nichts kaufen, zu Hause bleiben und auf keinen Fall höhere Preise für irgendetwas zahlen. Man kann sagen, je weiter die Antworten auf diese beiden Fragen auseinander liegen, desto überzeugender muss ich nachher argumentieren. Ich will ja schließlich den Empfänger dazu bringen, seine Meinung zu ändern und entsprechend zu handeln.

Das Richtige für den Leser anbieten

Als drittes sollte ich mir ein Bild von meinem Leser machen: Wer genau ist das, dem ich schreiben will? Ist derjenige jung oder eher älter? Wie ist seine Bildung, was versteht er möglicherweise, was nicht? Was könnten seine Interessen sein? Was weiß ich sonst schon über ihn? Solche Daten erleichtern es, den richtigen Ton zu finden und die Interessenlage des Gegenübers zu treffen. Wenn ich den Betrieb meines Kunden kenne, kann ich ihm Produktmengen oder -varianten anbieten, die er tatsächlich brauchen kann.

Im vierten Schritt überlege ich mir, was ich meinem Leser anbieten kann, um ihn von meinem Angebot zu überzeugen. Für das Produkt, das ich ihm verkaufen will, könnte ich ihm einen unwiderstehlichen Nutzen anbieten. Zum Besuch meiner Veranstaltung kann ich den Leser am besten mit einem tollen Programm motivieren. Nur bei den Preisen wird es etwas schwieriger: Manchmal haben sich die Rohstoffpreise geändert, oder es sind die Lohn- und Transportkosten gestiegen. Vielleicht haben sich auch die Qualitätsstandards erhöht, da muss man im Einzelfall genau schauen, was der Grund ist und wie man das dann verträglich formuliert.

Lassen Sie Ihrem Leser eine Wahl

Die fünfte Frage ist, welche Wahl ich meinem Leser lassen will? Diese Frage beantworten viele meiner Seminarteilnehmer spontan mit „Keine!“ Das ist in der Regel keine gute Idee. In den meisten Fällen können wir etwas zur Wahl stellen. Beim Produktangebot kann der Leser die Wahl zwischen verschiedenen Ausführungen haben. Oder er kann vielleicht zwischen Kauf und Leasing wählen. Bei der Veranstaltung kann er alleine oder in Begleitung kommen. Oder er kommt nur zu einem Teil der Veranstaltung, nimmt also etwa nur am Abendprogramm teil. Und bei der Preiserhöhung kann er vielleicht den alten Preis noch bis zum Quartalsende nutzen oder die Menge reduzieren. Das sind nur ein paar Beispiele der vielen Möglichkeiten. Wenn ich dem Kunden eine Wahl lasse, ist die Chance meist größer, dass er sich für eine Sache entscheidet.

Frage 6 ist „Was soll Ihr Leser jetzt tun?“ Zum Beispiel anrufen und das Produkt bestellen, die Anmeldung zur Veranstaltung faxen, sich zu den bisherigen Preisen bevorraten. Was immer wir an Aktion vom Leser wollen: Wir sollten ihm genau sagen, was er tun soll.

Der Ton macht die Musik

Frage 7 habe ich an den Schluss gestellt, obwohl oder weil sie sich auf den gesamten Brief bezieht. Hier geht es darum, wie wir mit dem Empfänger unseres Briefes in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Wenn wir mit Einmalkäufern ein schnelles Geschäft machen wollen und uns Kundenzufriedenheit egal ist, dann schreiben wir den Text anders, als wenn wir eine langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit wollen, um es mal extrem zu sagen.

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Zeigen Sie sich im Brief von Ihrer besten Seite

Briefe werben für den Absender. Sie sind oft das Erste, was man von einer Firma sieht. Deshalb lohnt es sich, sorgfältig zu formulieren. Wenn der Leser über Rechtschreib- oder Grammatikfehler stolpert, wird er diese Ungenauigkeit zumindest unbewusst auf die Kernleistung des Unternehmens übertragen. Das bedeutet, wenn eine Bank oder Versicherung fehlerhafte Briefe verschickt, wird ein Teil der Kunden die Zahlen auf den Kontoauszügen kontrollieren. Man weiß ja nie, wie genau die Bank/die Versicherung dann in diesem Punkt ist. Beim Schreiben waren sie ja auch nicht so genau…

Briefe schreiben - Checkliste

Wer jetzt seine Briefe mal unter die Lupe legen will, kann sich die kostenlose PDF-Datei Checkliste für gute Briefe herunterladen. Und wer lieber gleich eine Beratung zur eigenen Unternehmenskorrespondenz möchte, schreibt mir am besten eine E-Mail an info@baron-texttraining.de.